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EDVARD GRIEG – “Norra tantsud”. Paavo Järvi. Virgin Classics 2006
Grieg – “Norra tantsud”
Eesti Riiklik Sümfooniaorkester
Dirigent PAAVO JÄRVI
Edvard Grieg (1843-1907)
“Sümfoonilised tantsud”, op. 64
1. I Allegro moderato e marcato (7:20)
2. II Allegretto grazioso (5:18)
3. III Allegro giocoso (6:10)
4. IV Andante. Allegro molto e risoluto (12:49)
“Eleegilised meloodiad”, op. 34
5. Nr. 1 (4:04)
“Norra tantsud”, op. 35
6. I Allegro marcato (6:16)
7. II Allegro tranquillo e grazioso (2:18)
8. III Allegro moderato alla marcia (3:17)
9. IV Allegro molto. Presto e con brio (5:56)
“Eleegilised meloodiad”, op. 34
10. Nr. 2 (5:40)
“Süit Holbergi aegadest”, op. 40
11. I Praeludium (2:45)
12. II Sarabande (4:02)
13. III Gavotte (3:18)
14. IV Air (5:47)
15. V Rigaudon (4:32)
KOKKU: 79:40
ARVUSTUSED
Norwegische Tänze – Werke von Edvard Grieg
Paavo Järvi dirigiert Grieg Estnisches Nationales
Es gibt Menschen, die behaupten, die klassische Plattenindustrie stecke in der Krise. Wenn man sich aber allein die CD-Neuerscheinungen des Dirigenten Paavo Järvi anschaut, mag man das nicht glauben: regelmäßig alle paar Monate ein neuer Silberling mit Werken quer durchs Repertoire und Orchestern und Solisten quer durch die Kontinente. Fast zeitgleich erscheinen in diesen Wochen zwei neue CDs des umtriebigen Dirigenten: Werke von Bartok und Lutoslawski mit dem Cincinnati Symphony Orchestra, Beethovens Klavierkonzerte 3 und 5 mit Ikuyo Nakamichi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen (nur in Japan und bei der DDKB) und die CD “Norwegian Dances” mit dem Estnischen Nationalen Symphonieorchester. Darauf zu hören: Werke von Edvard Grieg, unter anderem die Norwegischen und die Symphonischen Tänzen sowie die Holberg-Suite. Nach “Peer Gynt” bereits die zweite Grieg-CD, die der gebürtige Este, der mit seiner Familie 1980 wegen der russischen Okkupation nach Amerika auswanderte, mit dem Estnischen Nationalen Symphonieorchester eingespielt hat. Friederike Westerhaus stellt diese CD vor.
Besonders verbunden
Das Estnische Nationale Symphonieorchester – keines jener Weltklasse-Orchester, mit denen der Dirigent Paavo Järvi sonst oft zusammenarbeitet. Und doch fühlt sich der gebürtige Este gerade diesem Orchester besonders verbunden.
“Als wir Estland verlassen haben, wurde Estland für uns plötzlich so eine Art magischer Ort – fast so etwas wie ein “Heiliges Land”, weil wir nicht zurückgehen konnten, und weil wir immer versucht haben, von außen zu helfen.”
Inzwischen kann er zurück, Estland ist längst wieder unabhängig. Doch als Künstlerischer Berater des Orchesters sieht er sich noch heute Schwierigkeiten gegenüber, die für andere Orchester undenkbar wären: durch den finanziell äußerst eingeschränkten Rahmen sind vor allem die Streichinstrumente eher mittelmäßig, vielfach wird aus handgeschriebenen Noten gespielt, weil die Leihgebühren zu teuer sind. Einen Ausweg aus der schwierigen Situation sieht Järvi vor allem in CD-Produktionen. Und die internationale Resonanz gibt ihm recht: für die Sibelius-Kantaten gab’s den Grammy, Griegs “Peer-Gynt-Suite” wurde kürzlich mit dem 1. BBC Music Magazine Award ausgezeichnet.
Besonders engagiertes Spiel
Auch die neue Grieg-CD “Norwegische Tänze” ist zweifellos angetan, die musikalische Glaubwürdigkeit und das Ansehen des Orchesters erheblich zu steigern. Järvi scheint die Musiker zu einem besonders engagierten Spiel zu motivieren: ein kraftvoller, runder, homogener Klang, eine ausdifferenzierte Dynamik, eine reiche Farbigkeit.
Besonderer Pluspunkt der Aufnahme ist das Gespür für den volkstümlich tänzerischen Gehalt der Musik Griegs – eine natürliche, organische Interpretation, bei der die innere Verbundenheit der musikalischen Idiome Norwegens und Estlands ganz sicher eine große Rolle spielt. Gekünstelt klingt da nichts. Sei es beispielsweise in den schlichten, gesanglichen Passagen des 4. Symphonischen Tanzes op 64 oder in den geradezu entfesselt wirkenden, burschikosen Momenten des vierten Norwegischen Tanzes op. 35.
Eher fremd für das Orchester: die barocken Muster der Holberg-Suite. Doch Järvi versteht es, die Musiker behutsam in eine historisch informierte Richtung zu lenken, ohne diese Herangehensweise aufgesetzt wirken zu lassen. Eine lebendige, mitreißende CD, der eines besonders anzumerken ist: die Freude Järvis und der Musiker des Estnische Nationale Symphonieorchester darüber, dass es Ihnen heute überhaupt möglich ist, befreit zusammen Musik zu machen.
Friederike Westerhaus www.ndrkultur.de/ndrkultur_pages_stdep/0,2515,OID2540102,00.html
Fetzige Tänze und elegische Melodien aus dem Norden
Was kommt wohl am Ende heraus, wenn ein weltberühmter estnischer Dirigent und ein estnisches Orchester Musik des Norwegers Edvard Grieg aufnahmen? – Eine hinreißend unterhaltsame Platte. Die Produzenten bei Virgin Classics ordneten die 2002/03 entstandenen Einspielungen dramaturgisch sehr überzeugend an. Eine Wohltat bei so vielen Aufnahmen, die oft scheinbar ziel- und wahllos Stücke kombinieren, ohne roten Faden und Grundkonzept. Der Anfang der CD mit Griegs ‘Symphonischen Tänzen’ op. 64 aus dem Jahr 1898 und der Rausschmeißer-Schluss mit der Suite ‘Aus Holbergs Zeit’ op. 40 (1884) sind bestens platziert, da die ‘Symphonischen Tänze’ vom Hörer mehr aktive Aufmerksamkeit erfordern als die beinahe überstrapazierte ‘Holberg-Suite’. Zwischen diesen Eckpunkten rahmen die beiden ‘Elegischen Melodien’ op. 34 (1881) das zentrale Werk dieser Produktion, die ‘Norwegischen Tänze’ op. 35 (1881), ein.
Robust, aber nicht rabiat
Paavo Järvi, derzeit einer der meistgefragten Dirigenten, zeigt auch hier seine Extraklasse. Er trifft den Grieg’schen Ton aufs Genaueste. Bereits im ersten Stück der ‘Symphonischen Tänze’, dem ‘Allegro moderato e marcato’, wird die hohe Qualität und Treffsicherheit seiner Interpretation deutlich. Järvi nimmt den ersten Tanz, einen Tanz der Bergjäger, robust und kräftig. Doch an keiner Stelle gleitet die Musik eine ungeschlachte, spielmannhafte Derbheit ab. Järvi hält das Estnische Nationale Symphonie-Orchester mit straffen Zügeln. In Bezug auf Klangfarbenspiele jedoch dürfen die Musiker alles aufbieten, was für Abwechslung sorgt. So zeigen die wechselnden Instrumentierungen wiederholter Passagen, wie im vierten Satz, so verschiedene Farben, dass sie einem kaum bekannt vorkommen – wäre da nicht die eingängige Idiomatik der norwegischen Tänze. Betont Paavo Järvi im ersten Satz den Tanzrhythmus durch flüssige Tempi und federnde Nachschläge, die dem Tanz einen unvergleichlichen Drive geben, so lässt er im zweiten die Streicher und Bläser die üppig harmonisierte norwegische Melodie weich aussingen. Auch die letzten beiden Sätze werden von Järvi und dem Estnischen Nationalen Symphonie-Orchester mit Verve und Detailgenauigkeit interpretiert.
Romantik mit Zopfperücke
Herbe Süße und Melancholie dürfen die Streicher des Orchesters in einer bewegenden Interpretation der beiden ‘Elegischen Melodien’ verbreiten, ehe das gesamte Orchester in den ‘Norwegischen Tänzen’ nordisches Lokalkolorit ausbreitet. Orchestriert von Hans Sitt, nachdem Grieg diese Aufgabe eigentlich von Edouard Lalo gelöst wissen wollte, verfügen diese Tänze über eine große Palette an klangfarblichen Schattierungen, die vom Estnischen Nationalen Symphonie-Orchester unter Paavo Järvi brillant ausgenutzt werden. Järvi legt die Kontraste zwischen dem heftigen ersten Abschnitt und dem ruhigen Mittelteil sehr deutlich aus. Das Orchester darf dann auch schon mal in den saftigen Harmonien baden.
Die einzelnen Stimmen Gruppen wirken sehr ausgeglichen, der von Järvi bekannte durchsichtige, schillernde Klang zeigt sich auch hier. Den Unterschied der beiden Teile im zweiten Satz kann man selten so ausprägt erleben wie hier: Järvi lässt seine Musiker im grazilen Anfangsteil agogisch frei phrasieren, durchaus ein wenig übertrieben, ironisch. Wie mit der Beißzange angefasst wirkt dann der schnelle Teil, der die aufgebaute Idylle zu zerstören droht.
Ein Paradestück für Streichorchester ist sicherlich die ‘Holberg-Suite’, die Järvi gut aushört, es aber dennoch nicht schafft, einen solch dichten Klang zu erschaffen wie Ole Kristian Ruud auf der kürzlich erschienen Aufnahme. Die tänzerische Grazie dieser Musik trifft Järvi hingegen optimal. Die Musik wirkt hier stets wie in Anführungszeichen gespielt, was den romantisch harmonisierten, formal an französische Barocktänze angelehnten Tänzen gut bekommt. Die romantische Zopfperücke wird bei Järvi durchaus als Perücke verstanden.
Federnder Gestus und transparenter Klang
Die Klangfarbenschattierungen der Grieg’schen Orchesterwerke sind hier sehr gut eingefangen. Järvi schreckt nicht vor starken Kontrasten im Gestus und in der Dynamik zurück, was die Tänze zu anregender Unterhaltung werden lässt. Der Satz wirkt durchsichtig, trotzdem findet das Orchester seinen eigenen, reichhaltigen Gesamtklang.
Mit dieser CD ist Paavo Järvi einmal mehr ein Volltreffer gelungen. Wenn der designierte Chef des HR-Sinfonieorchesters auch dort so anregende Impulse liefert, darf man sich auf viele interessante Einspielungen freuen.
Kritik von Tobias Pfleger, 10.05.2006
Grieg: Norwegian Dances – Estonian National Symphony Orchestra/Paavo Järvi (Virgin 44722)
St. Paul, Minn. — He’s an Estonian conductor who hangs his hat in his native country, his adopted home in Cincinnati and (next year) in Frankfurt. But lately Paavo Jarvi has been exploring his Norwegian soul. After a highly acclaimed recording of Edvard Grieg’s “Peer Gynt” with the Estonian National Symphony Orchestra, Jarvi has just added another Grieg CD to his discography, with the same ensemble. This one is devoted to the Norwegian master’s orchestral music.
Grieg’s orchestral music is special because he wrote it reluctantly. As a composer, Grieg focused on smaller works like songs and piano pieces, partly because he didn’t think he could compete with the work of his colleague Johann Svendsen, the first Norwegian symphonist. Grieg highly admired his idol’s gifts, declaring, “Svendsen has precisely all that which I don’t have: mastery of the orchestra and its large classical forms.” For that reason, Grieg limited himself to composing just 15 orchestral works. I, for one, am glad Grieg was brave enough to dip his toe in the orchestral waters.
Grieg originally wrote his Norwegian Dances for piano duet. He had hoped French composer Eduard Lalo would orchestrate them, but instead Hans Sitt, a member of the Brodsky Quartet, did the honors in 1888. Grieg based the first symphonic dance on a Scottish theme, with energetic sections that recall the sinister sound of “In the Hall of the Mountain King” from his incidental music for “Peer Gynt.” The other three dances are all hallings, a dance style that comes from the Hallingdal region of Norway. Each is based on a Scottish reel and they’re written in double time.
I like these dances because they show Grieg’s light-hearted nature, yet there’s nothing frivolous about the complex harmonies, ingenious modulations and passionate melodies. The second in the set begins with a lazy bear’s dance. It speeds up suddenly as the dancers try to outdo each other with animated leaps.
Paavo Jarvi’s father, Neeme Jarvi, recorded the Norwegian Dances 20 years earlier with Sweden’s Gothenburg Symphony Orchestra. Paavo Jarvi may have followed in his father’s footsteps, but he’s not afraid to make his own musical statements. Where Neeme creates added dramatic effect with quick tempo changes, esthetic pauses and bold dynamic changes, Paavo goes for a brighter sound, and overall faster tempos. He prefers smooth, lyrical lines and he eases into his crescendos gradually.
Grieg believed the best medium for conveying deep emotion was the string orchestra, a belief that the music on this CD affirms. The familiar “Holberg” Suite contains emotion to spare. But to my ears, the most moving orchestral pieces are the four songs he wrote and later arranged for this kind of group.
Particularly beautiful are the earliest songs, Two Elegiac Melodies, Op. 24. These are settings of melancholy poems by Aasmund Vinje. Grieg based each of them on a single melody, which then undergoes a series of subtle harmonic variations. Debussy once said it was this formula that elevated Grieg’s music to a higher plane. The Elegiac Melody No. 2, titled “The Last Spring,” was played at the composer’s funeral. This piece is filled with a bittersweet nostalgia. It’s very reminiscent of “Solveig’s Song” from “Peer Gynt.”
The Estonian National Symphony Orchestra has a big, unified sound that sweeps the listener along. We can hear individual instruments only when the score calls for that texture, like the romantic oboe line in the opening of the Symphonic Dance No. 2. The colors of various wind instruments rise above the orchestra on occasion, adding to the folksy feel of this music, helping to recreate the solitary, peaceful nature of Grieg’s homeland.
Some friends of mine recently visited Grieg’s home in Norway. They were glad they took the bus to Troldhaugen, because they were sure they would never have found it on their own. With this collection of Grieg’s orchestral music, you don’t need a map to get to where you want to go. Paavo Jarvi and the Estonian National Symphony Orchestra know just how to bring its simple beauty to you.
Julie Amacher, Minnesota Public Radio, 20.06.2006 http://minnesota.publicradio.org/display/web/2006/06/19/classical_tracks/
Grieg. Norra tantsud. ERSO, Paavo Järvi.
Virgin 34472227
2006. aasta kevadel ilmus Virgin Classicsi märgi all plaat, mis juhatab eesti klassikahuvilise ERSO-lt ja Paavo Järvilt varem ilmunud “Peer Gynti” interpretatsiooni ajaloolistele jälgedele. Nimelt on selle plaadi näol tegemist albumiga, mis salvestati Eestimaa sügises juba mõne aasta eest. Albumile on jõudnud tuntumad näited Griegi napist orkestrimuusikast.
Soovitan hakata plaati kuulama hoopis helijälje südamikust, sest olen üsna kindel, et jääte lummatult kuulama sügavalt hingepuudutavat “Eleegilist meloodiat” op 34 nr 1 (“Südamehaavad”). Tegemist on keelpilliorkestri seadega ühest Griegi varajasest Aasmund Vinje melanhoolsele tekstile loodud laulust. Küllap nõustute heliloojaga, kelle meelest just keelpilliorkestri kõla puudutab inimhinge kõige õrnemalt – ERSO tšellorühma kõla kummitab siiani mu meeltes. Sama imelist hingust on tunda ka siis, kui olete jõudnud plaadi teise sellise lauluni. “Viimane kevad” on lausa koormavalt kurb ja tagasivaatav laul, millele lisab tähendust fakt, et seda mängiti ka Griegi ärasaatmisel.
Kahe igatsuse- ja kurbusejõe vahel vulisevad lõbusalt halling’ud Griegi „Norra tantsudest”, tsüklist, mis on algselt loodud kahele klaverile ja mille orkestratsiooni eest võime tänada Brodski kvarteti liiget Hans Sitti. Tantsude esituses on isegi visuaali nägemata tunda naeruvõbelust mängijate suunurgas ja särtsakust ning rahvalike meloodiate tõttu kõikelubavate liialdustega välja mängitud karaktereid. Siin on põnevust, mis tuletab meelde ERSO ja Paavo Järvi koostöös juba ilmunud “Peer Gynti” plaati.
Ja nüüd, kui olete ehk ka nautinud kuulsaid takte plaati lõpetavast süidist “Holbergi aegadest”, soovitan veel kord vaadata plaadi päisesse, valida sealt maiuspalaks näiteks Griegi “Sümfooniliste tantsude” neljanda osa ja te tõdete, et Paavo Järvi suudab lüürikale suurt tähelepanu pöörates ja vankumatu süvenemisega dramaturgilist arengut esile tuues näidata Griegi sümfoonilist kvaliteeti. Oma arvamust peavad korrigeerima ka need, kes on norra meloodiameistrit pidanud pigem primitiivseks loojaks.
Mirje Mändla, Muusika nr 11, 2006. http://muusika.kul.ee/2006_11index.html